Eine zündende Sinfonie

Eine zündende Sinfonie

von Thomas Philipp

Die offizielle Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres wurde am 31. Dezember 2008 mit einem dreitägigen Fest eingeläutet. Bereits am Nachmittag des Silvestertages startete das Projekt Standard Time von Mark Formanek, bei dem bis zu 70 ArbeiterInnen eine vier Meter hohe Anzeige aus Holz, Metall, Schrauben und Nägeln an der Linzer Donaulände errichteten. Die angezeigte Zeit wurde im Zuge der laufenden zwölf Stunden des Projektes ständig aktualisiert, d. h. die Anzeige immer wieder synchron zur Echtzeit ab- und aufgebaut.

    Begleitend zum Silvesterabend war es anschließend möglich, im Rahmen des Projektes "Wie is(s)t man in LINZ ZUHAUSE?" bei ausgewählten Linzer Privathaushalten auf Einladung zu speisen. Ab 21 Uhr wurde mit dem Countdown am Hauptplatz und am Alten Markt gestartet. Zu erleben waren hier u. a. österreichische Acts wie Louie Austen, Binder&Krieglstein, Texta oder Attwenger. Parallel dazu wurde bei der Gala im Brucknerhaus von Bundespräsident Heinz Fischer eine Linzer Torte in Österreichform angeschnitten. Das Komiker-Trio "maschek" lieferte außerdem einen Beitrag mit Linz als "geteilter Stadt" nach dem Zweiten Weltkrieg, die erst durch die Europäische Kulturhauptstadt "frei" wird.

    Eine halbe Stunde vor Jahreswechsel verlagerte sich das Geschehen zunehmend zur Nibelungenbrücke. Der Linzer Schauspieler Karl M. Sibelius führte durch die letzten Minuten des Jahres und um Mitternacht erlebten über 100.000 Menschen rund um die Nibelungenbrücke ein Spektakel. Eine vom Engländer Orlando Gough komponierte "Raketensinfonie" wurde vom Schweizer Regisseur Tom Ryser entsprechend in Szene gesetzt. Die Sinfonie brachte einen Chor von mehreren hundert SängerInnen, unterstützt vom SolistInnenchor The Shout aus Großbritannien in einen Dialog mit einem riesigen Feuerwerk. Aufgrund der Live-Übertragung des Eröffnungsfeuerwerks in ORF 1 verzögerte sich der inszenierte Jahreswechsel in Linz allerdings um einige Minuten. Anschließend feierte die Linz09-Nightline Good Night Stuff ihre Premiere in den beiden Brückenkopfgebäuden, u. a. mit Fatima Spar & The Freedom Fries (A), Eletric Indigo (A) und Modeselektor (D). Die Pressestimmen zur spektakulären Eröffnung waren grundlegend positiv, wenn auch mit kritischen Anmerkungen versehen:

"Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung am Höhepunkt und die Nacht noch jung. Der letzte Funke am Himmel war noch nicht verglüht, da zog es die Massen bereits in Richtung Altstadt. Doch dort fand sich einer der wenigen Wermutstropfen an diesem Abend. Neben den rasch überfüllten Party-Locations, etwa im Gebäude der Kunstuni, gingen in etlichen Lokalen die Lichter an diesem Abend nicht einmal an - Weihnachtsurlaub. Linz verändert sich, so manches wird immer gleich provinziell bleiben."
(der Standard 2009)
"Bereits kurz nach Abschluss dieses bejubelten 20-minütigen Startschusses waren auf Nibelungenbrücke und Donaulände bereits die Kehrmaschinen unterwegs, während sich das Geschehen in die Altstadt verlagerte, wo zwei Musikbühnen aufgebaut waren. Dort hatten bereits am Abend Acts wie Louie Austen, Binder&Krieglstein und die Linzer Lokalmatadore Texta für Stimmung gesorgt. Attwenger brachten die Stadt zur nächtlicher Stunde endgültig zum Tanzen. Während das junge Publikum die frische Kulturhauptstadt lautstark begrüßte, waren auf dem in pinkes Licht getauchten Hauptplatz von älteren Besuchern auch kritische Stimmen zu hören: 'Ich hab' mir ein bisschen was anderes vorgestellt', sagte ein Linzer, 'ein Straßenmusikant ist oft besser'. Und eine 75-jährige Pensionistin meinte auf die Frage, was das Kulturhauptstadtjahr für Linz bringen werde: 'Ein Defizit!'"
(Kurier 2009)
"Mit dem Brodeln tat sich diesmal wenig. Im als 'Liebesgeschichte' propagierten Duett von Stimme und Feuer war schnell klar, wer in dieser Beziehung das Sagen hat: das effektvoll und in seiner Funkenmaterialität grandios feinfühlig aufbereitete Feuerwerk ('steyrFire'). In aller Präzision, in wohldosiert farbiger Harmonie und in präziser formaler Spannung wurde es in den frostigen Nachthimmel neben der Nibelungenbrücke gejagt.
Und diese Optik lief der rund halbstündigen Stimm-Komposition zum 09-Start auch eindeutig den Rang ab. Aber wem war es jemals möglich, sich der elementaren optischen Wucht von Feuer zu entziehen? Um neben dieser zündenden Urkraft bestehen zu können, muss jedenfalls mehr aufgeboten werden als eine dermaßen belanglos-illustrative vokale Nettigkeit."
(OÖ Nachrichten 2009)

    Am Neujahrstag folgte vormittags ein traditionelles Aperschnalzen am Hauptplatz. Ein Höhepunkt war die Uraufführung von Philip Glass' neuester Symphonie "Symphony G-Dur Hob. 1:99" und Joseph Haydns Sinfonie Nr. 99 durch das Brucknerorchester unter der Leitung von Dennis Russell Davies, live aus dem Brucknerhaus auf den Hauptplatz übertragen. Gezeigt wurde dabei auch der Pausenfilm des alljährlichen Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker, der dem Kulturhauptstadtjahr gewidmet war. Als nächster Höhepunkt wurde am Abend die Ausstellung "Best of Austria" im Kunstmuseum Lentos eröffnet. In dieser Ausstellung mit dem provokant gewählten Titel waren knapp hundert Werke aus österreichischen Museen, Stiftungen und Unternehmenssammlungen zu sehen, ein Querschnitt durch sämtliche Stilrichtungen und über mehrere Jahrhunderte.

    Das neue Ars Electronica Center wurde am 2. Jänner eingeweiht. Das AEC wurde mit 30 Millionen Euro flächenmäßig um knapp 4.000 Quadratmeter und inhaltlich um mehrere Ausstellungselemente (u. a. RoboLab, FabLab, BioLab, BrainLab, …) erweitert. Ebenfalls am zweiten Neujahrstag wurde das Projekt "Kulturhauptstadtteil des Monats" gestartet, bei dem jedes Monat ein anderer Stadtteil ins Blicklicht gerückt wurde bzw. wird. Ein weiteres, abschließendes Highlight bot die exklusive Premiere des Musiktheaterstücks "Das Buch der Unruhe" nach Fernando Pessoa, unter der Regie von Michel van der Aa und mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle.



der Standard, Linz bleibt Linz, wie es singt und kracht, 2. Jänner 2009, Wien 2009,
abrufbar unter http://derstandard.at/?url=/?id=1227288205911, Zugriffsdatum: 10. Mai 2009

OÖ Nachrichten, Linz09 wurde von der maschek-Seite eröffnet, 2. Jänner 2009, Linz 2009,
abrufbar unter http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/linz09/art470,90255, Zugriffsdatum: 10. Mai 2009

Kurier, 130.000 feierten Linz09-Start, 2. Jänner 2009, Wien 2009,
abrufbar unter http://www.kurier.at/kultur/283905.php, Zugriffsdatum: 10. Mai 2009