Stadt im Glück

Stadt im Glück

von Thomas Philipp

Stadt im Glück? Darf es so etwas überhaupt geben?

    Eine philosophische Frage, die sich hier stellt. Zuerst bedarf es einer Unterscheidung zwischen einem episodischen, temporären Glück (die einzelne Glückserfahrung) und einem dauerhaften, übergreifenden Glück (das glückende Leben). Dann steht dem eher zufälligen "Glück haben" (eutychia) das eher erarbeitete "glücklich sein" (eudaimonia) gegenüber. Drittens wissen wir, dass Glück und Unglück nahe beisammen liegen (Glück im Unglück haben). Und zu guter Letzt sprechen wir nicht von einem einzelnen Menschen, sondern einer gesamten Stadt.

    Im Falle von Linz ist man geneigt, die Stadt als glücklich zu bezeichnen. Lange musste sie gegen ihr provinzielles Image kämpfen, viele Jahre stand sie als stinkende Industriestadt ohne Charme in Verruf, und der Schatten der unglückseligsten Zeit, als sie die Patenstadt des "Führers" war, reicht bis in die Gegenwart. Seit den 1970er-Jahren hat sich dabei ein tiefgreifender Wandel in der Stadt vollzogen. Die Luft- und Lebensqualität wurde erheblich verbessert, zahlreiche Maßnahmen im Sozialbereich gesetzt, die eigene Geschichte konsequent aufgearbeitet und zur Industriestadt Linz gesellte sich die Kulturstadt Linz.

    Vor allem die Parallelentwicklung von Industrie und Kultur ist es auch, die in dieser Ausstellung im Mittelpunkt steht. Themen und Thesen, die mit ihr in Verbindung stehen, werden anhand von einzelnen Ereignissen dargestellt, welche die städtische Identität der letzten Jahrzehnte mehr oder weniger geprägt haben. Smogalarm, forum design, LD-3, Ars Electronica, der Intertrading-Skandal, Kurt Cobain, SK VÖEST Linz, Karakurt, Zogaj und Okafor, ein Brief an Edgar Bronfman, Bushido oder Linz09 haben alle dazu beigetragen, dass Linz Linz ist. Für die Ausstellung wurden zudem mit über 80 Menschen aus Industrie bzw. Kunst und Kultur Interviews geführt, von denen Ausschnitte zu sehen sind. Umgesetzt findet sich dies alles in einem räumlichen Konzept eines Hauses. Man betritt ein Wohnzimmer, durchschreitet ein Badezimmer oder ein Arbeitszimmer, wirft einen Blick in die Abstellkammer und fühlt sich am Ende in der Küche heimelig.

    Die Ausstellung erlaubt es sich, auch unkonventionelle Sidestorys zu erzählen. Sie beschreitet also nicht nur die Hauptpfade der Linzer Geschichte, sondern bildet ein Netzwerk der städtischen Identität. Sie basiert auf umfassenden wissenschaftlichen Recherchen, traut sich allerdings, mit spitzen Thesen zu provozieren. Sie begibt sich auf die Suche nach der Fragilität des Glücks, nach den kleinen Störungen im städtischen Identitätsgefüge. Sie lässt bewusst Lücken offen (die soziale Musterstadt!), auch weil das Museum zu klein für die Stadt im Glück ist. Um die Stadt in ihrer Gesamtheit zu erfahren, wird empfohlen, nach Ausstellungsbesuch durch die Straßen zu flanieren und sich mit den Menschen dieser Stadt auf ein Gespräch einzulassen.