Ein Monat Europa

Ein Monat Europa

von Thomas Philipp

Als Vorlauf für Linz09 kann das Europäische Kulturmonat 1998 gesehen werden. Dieser Titel wurde bis 2003 einmal jährlich vom EU-Ministerrat als oberstes Kulturgremium der Europäischen Union an eine Stadt mittlerer Größe im europäischen Raum vergeben. Um die Auszeichnung zu erhalten, mussten sich die Städte bewerben und sich dadurch einer internationalen "Konkurrenz" stellen. Im Jahr 1998 gelang es der Stadt Linz, diese Auszeichnung für die gelungene Symbiose von Industrie, Technologie, Kultur und Gesellschaft in Linz zu erhalten. (vgl. Mettler 2005, S. 7 und Kulturplattform OÖ 1998) Mit dem Titel "Job / Net / Gen / Fun" versuchte sich die Stadt mit dem Wandel in der Arbeitswelt, dem Ausmaß und Einfluss der digitalen Revolution auf den Alltag, dem fließend gewordenen Verhältnis von Mensch und Natur durch die Möglichkeiten der Gentechnik und der Entwicklung hin zur Freizeitgesellschaft auseinander zu setzen.(vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2008, S. 57)

    Zwischen 28. August und 4. Oktober 1998 wurden mehr als 30 Projekte an teilweise außergewöhnlichen Plätzen gezeigt, vor allem von lokalen Kunst- und Kulturschaffenden:

  • Eröffnungsgala: Inszeniert von Ferry Öllinger und Werner Pfeffer wurde vor über tausend Gästen im Brucknerhaus das Europäische Kulturmonat am 28. August 1998 in einer Performance eröffnet, gefolgt von einem Fest im Donaupark.
  • Ein Fest für Linz: Am zweiten Tag wurde ein ganztägiges Fest in der Innenstadt und am Hauptplatz veranstaltet, mit Auftritten von D'Urltaler (A), Kaga (A), Die Tanzgeiger (A), Rik (A), Gausl (A), Mala Sangre (E), Herbei Treehead (GB), Circus Elfi Althoff-Jacobi, Fanfare Ciocárlia (RO), Die Knödel (A), Brain Drain (RUS), Nathan & The Zydeco Cha Chas (USA) und Bana (Kapverdische Inseln).
  • Donauregen: Die Linzer KünstlerInnen Susanne Jirkuff und Pepi Maier inszenierten einen gigantischen Wasserfall über die Nibelungenbrücke.
  • clickscape98: Die Stadtwerkstatt machte die Fassade des EA-Generali-Gebäudes und die Nibelungenbrücke visuell und interaktiv gestaltbar.
  • Hephaistos goes East: Unter Leitung von Helmuth Gsöllpointner montierte die Meisterklasse Metall eine riesige Kugel aus hunderten hölzernen Einzelteilen, die als Denkmal für die Industriearbeit auf der Donaulände aufgestellt wurde.
  • Zisterne. Linzer Unterwelt: Ursula Witzany machte einen 1944 angelegten Wasserspeicher unter dem Linzer Pfarrplatz wieder mit einer Rauminstallation zugänglich.
  • laager: Peter Androsch, Sam Auinger, Dietmar Bruckmayr und Wolfgang Dorninger betrieben ein KLF-artiges Soundsystem auf Rädern, mit dem sie eine Woche lang temporäre Klangdörfer und Soundlandschaften in der Stadt errichteten.
  • Glücksversuche oder Shaking Limes: Social Impact errichtete einen Luftmatratzen-Wall im Donaupark, bestückt mit Polaroids und Zitaten aus Badegesprächen.
  • natürlich künstlich: Das O.K Offene Kulturhaus Oberösterreich lud elf KünstlerInnen ein, auf einem Dach einer Tiefgarage einen künstlichen Garten zu gestalten.
  • nexus: Eingeladen vom Institut für Kunst an der Katholisch-Theologischen Hochschule präsentierten zwölf KünstlerInnen ihre Rechercheergebnisse einer Auseinandersetzung mit einem städtischen Raum im Stadtteil Urfahr.
  • Hybrid Factory: In der Alten Lederfabrik errichtete Gottfried Hattinger einen außergewöhnlichen Kunstproduktionsbetrieb, in welchem einen Monat lang KunsthandwerkerInnen fünf Mal die Woche zur Kunstproduktionsschicht antraten, um gegen Lohn, Kost und Unterkunft den werkseigenen Supermarkt zu beliefern.
  • Poseidons Auge: Christian Sery inszenierte im Hafenbecken II eine Unterwasserausstellung mit Live-Schaltung ins Wohnzimmer.
  • WochenKlausur: Die Wiener WochenKlausur wurde eingeladen, um während des Europäischen Kulturmonats zur Zukunft der Arbeit zu intervenieren.
  • infowar: Das Ars Electronica Festival 1998 widmete sich der Auseinandersetzung zwischen Computersystemen, Informationstechnologie und Kriegsführung.
  • Orfeus(e)//Donau/Eurikide: Nach einer Idee von Franz Fend, Harald Gebhartl, Dietmar Bruckmayr und Wolfgang Dorninger und unter der Regie von Hubert Lepka inszenierte das Theater Phönix ein Maschinen-Mythos-Theater im Hafenbecken II.
  • Safe Harbours: Time's Up eröffnete ein Labor für unerforschte Denklandschaften, mit zahlreichen Installationen, Performances und Events.
  • jobOpera: Die visualisierte Klangwolke widmete sich in diesem Jahr dem Thema der Arbeit, erzählt von Klaus Obermaier und Robert Spour.
  • Von 10. bis 12. September 1998 fand die informelle Europäische Kulturministerkonferenz im Linzer DesignCenter statt. Begleitet wurde diese von mehreren Symposien und Veranstaltungen.
  • In der Flämmereihalle auf dem VOEST-Gelände war ein Konzert mit Mikis Theodorakis und dem Bruckner Orchester Linz zu erleben.
  • Messer, Gift und Grabesreden: Claudia Hutterer, Martina Kornfehl und Doris Prenn boten eine kriminelle Stadtwanderung mit ausgewählten Verbrechen und Tatorten an.
  • Redefluss: Gemeinsam mit Hörenden und Gehörlosen erarbeitete die Tänzerin Regina-Eva Hofbaur eine Geschichte, die als langgestreckte Sprachinstallation entlang des Donauufers im Donaupark in Szene gesetzt wurde.
  • work & culture. büro: In die vom Architekturbüro BKK-2 umgestaltete Landesgalerie wurde eine Vermischung von Alltags- und Arbeitskultur in Form einer Ausstellung implementiert. Die von Eleonora Lous und Herbert Lachmayer kuratierte Ausstellung wurde von Symposien, Diskussionen und Veranstaltungen begleitet.
  • Im großen Hangar des Linzer Flughafens wurden die Relikte der einzigen vollständig erhalten gebliebenen Malaktion von Hermann Nitsch präsentiert.
  • Linzoronic: Die Meisterklasse Textil setzte in unregelmäßigen Abständen die Linzer Wahrzeichen nach einer Idee von franzthomaspeter im öffentlichen Stadtraum in Szene.
  • Zugig: Eine luftige Installation von Petra Zechmeister am Linzer Hauptbahnhof, die mit dem Wort "zugig" spielte.
  • Kunsttram: In die nüchternen Stationsansagen bei den Straßenbahnhaltestellen wurden Hörspielminiaturen (fremdsprachige Gesprächsfetzen, Musik, Geräusche, …) eingebaut.
  • Servus Europa: Am 3. Oktober fand das Abschlussfest des Europäischen Kulturmonats im Landestheater Linz statt, u. a. mit Kurt Ostbahn, Linzer Blasmusikkapellen oder dem Bruckner Orchester Linz.

    Der Europäische Kulturmonat 1998 wird nach wie vor als gelungenes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen der Freien Kulturszene und den öffentlichen Kultureinrichtungen in Linz gesehen, der einen Meilenstein in der Entwicklung zur Kulturstadt darstellt. Der Linzer Kulturdirektor Siegbert Janko brachte dies in der Dokumentation zum Europäischen Kulturmonat 1998 folgender maßen zum Ausdruck:

"Mit dem Europäischen Kulturmonat ist Linz seiner kulturellen Vision, seiner 'Linzer Identität', einen weiteren Schritt näher gekommen. Eine derart intensive und fruchtbare Partnerschaft zwischen Künstlerinnen und Künstlern, Kulturpolitik, Wirtschaft und Kulturinstitutionen hat es bisher noch nicht gegeben."
(Janko 1999, S. 10)



Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik (Hrsg.), Linz 2009. Kulturhauptstadt Europas, Endbericht im Rahmen der Lehrveranstaltung
229.091 KS Projektmanagement und 229.092 IK Projektbegleitung, Linz 2008

Janko, Siegbert, Linzer Weg - Linzer Identität, Kulturamt der Landeshauptstadt Linz (Hrsg.), Dokumentationskatalog zum Europäischen Kulturmonat Linz September 1998, Linz 1999

Kulturplattform OÖ (Hrsg.), Europäischer Kulturmonat Linz 28.08. - 04.10. 1998. Präsentation der Stadt Linz, Linz 1998,
abrufbar unter http://archiv.kupf.at/pro/eu/kureg5.htm, Zugriffsdatum: 25. Jänner 2008

Mettler, Elisabeth, Was bleibt von "Europäischen Kulturhauptstädten"? Nachhaltige Effekte oder Strohfeuer für ein Jahr, Diplomarbeit an der Karl-Franzens-Universität Graz, Graz 2005,
abrufbar unter http://www.eccm-cultural-capitals.org/documents/Was_bleibt_von_gr.pdf, Zugriffsdatum: 9. November 2007