Revolte im teuren Ars Electronica Center
Revolte im teuren Ars Electronica Center
von Lydia Thanner und Andre Zogholy
Das Ars Electronica Center (AEC) wird im Jahr 1995 als Museum der Zukunft eröffnet, steht zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Linz und ist jüngst um rund 30 Millionen Euro ausgebaut worden.
Im Dezember 2008 klagten sieben freie DienstnehmerInnen des AEC ihr Recht auf Anstellung ein. Prüfungen der OÖ. Gebietskrankenkasse und der Gewerkschaft im Jahr 2008 ergaben, dass im Ars Electronica Center größtenteils die Voraussetzungen und Rechtsgrundlagen für normale Anstellungsverhältnisse erfüllt seien. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 30. Jänner 2009, S. 27) Da die Beschäftigten in fixe Strukturen ein- und an fixe Dienstzeiten gebunden waren, an Dienstbesprechungen teilnahmen oder Arbeitskleidung zu tragen hatten (vgl. Fend 2009, S. 16), widersprach dies den nachfolgenden Kennzeichen Freier Dienstverträge: (vgl. Bundeskanzleramt 2009, o. S.)
- Dauerschuldverhältnis
- Bezahlung des Entgelts nach Arbeitsdauer und nicht nach Werk
- Fehlen der persönlichen Abhängigkeit oder nur im eingeschränkten Ausmaß
- keine Weisungsgebundenheit
- frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens
- Ablauf der Arbeit kann selbstständig geregelt werden und ist jederzeit änderbar
- die wesentlichen Betriebsmittel werden vom oder von der ArbeitgeberIn bereitgestellt
- Erbringung der Dienstleistung im Wesentlichen persönlich
Der Aufsichtsrat des Ars Electronica Centers, der bereits zu Jahresbeginn von der Geschäftsführung über die notwendige Änderung der freien Dienstverträge informiert wurde (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 11. Dezember 2008, o. S.), schritt ein und forderte den Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Derart sollten Angestelltenverhältnisse überprüft und den sozial- und arbeitsrechtlichen Normen angepasst werden. Geplant war, durch die Fixierung der Betriebsvereinbarung möglichst außergerichtliche Lösungen für die eingeklagten Arbeitsverhältnisse zu finden. Die Anpassung der Arbeitsverhältnisse an die jeweiligen Beschäftigungsinhalte sollten zudem in einer allgemeinen Reorganisation der Personalstruktur im Ars Electronica Center münden.
Es kam zu politischen Turbulenzen. Die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten am 13. Dezember 2009:
(Oberösterreichische Nachrichten vom 13. Dezember 2009, S. 41)
Auch der künstlerische Leiter, Gerfried Stocker meldete sich zu den Dienstverträgen im Ars Electronica Center zu Wort:
(Fend 2008, S. 16)
Zeitgleich gab der kaufmännische Geschäftsführer Curt Norbert Schorn seinen Rücktritt bekannt - er "arbeitete daran, Kunst und Wirtschaftlichkeit aufeinander abzustimmen" (Oberösterreichische Nachrichten vom 6. Dezember 2008, S. 24). Die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten am 6. Dezember 2008:
(ebd.)
Zunehmend rückten finanzielle Aspekte in den Vordergrund. Mitte Dezember 2008 lag der Wirtschaftsplan 2009 noch nicht vor und der vorgelegte Entwurf für das Budget enthielt Ungereimtheiten. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 16. Dezember 2008, S. 26) Im Gemeinderat wurde daraufhin gefordert, die Geschäftsgebarung des Ars Electronica Centers durch den Stadtrechnungshof zu prüfen. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 12. Dezember 2008, o. S.) Am 15. Dezember 2008 zitierten die Oberösterreichischen Nachrichten den unveröffentlichten Prüfbericht und machten die notwendige Verdoppelung der städtischen Zuschüsse um 2,8 auf 4,8 Millionen Euro im Jahr 2009 bekannt. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 15. Dezember 2008, S. 1)
Eine Basis für die außergerichtliche Lösung der eingeklagten Angestelltenverhältnisse brachte die Aufsichtsratssitzung am 29. Jänner 2009. Der Aufsichtsrat beschloss einstimmig eine neue Betriebsvereinbarung inklusive neuem Gehaltsschema und ab Februar eine Anstellung der meisten der bis dato freien DienstnehmerInnen. Die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten am 30. Jänner 2009:
(Oberösterreichische Nachrichten vom 30. Jänner 2009, S. 27)
Im Frühjahr 2009 kam das Ars Electronica Center erneut in die Schlagzeilen. Der Grund war das in der Aufsichtsratssitzung vom 5. März 2009 beschlossene Sanierungsprogramm. Dieses enthielt neben Einsparungsmaßnahmen unter anderem eine weitere Verringerung des Personalstandes (um 8,5 auf 143,25 Vollzeitarbeitsplätze). (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 6. März 2009, S. 24)
Die Ereignisse im Ars Electronica Center zeigten, dass auch in städtischen Einrichtungen sozial- und arbeitsrechtliche Mindeststandards eingefordert werden müssen. Die soziale Dimension prekärer und flexibler Arbeitsverhältnisse erhält derart eine zusätzliche politische Relevanz.
Fend, Franz, "Prekariat am Magistrat. Ein Kommentar zu zweifelhaften Arbeitsverhältnissen in stadtnahen Betrieben", KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), KUPF-Zeitung, Nr. 129/3/09, Linz 2009
Oberösterreichische Nachrichten, AEC-Geschäftsführer musste gehen , 6. Dezember 2008, S. 33
Oberösterreichische Nachrichten, Wirbel im Linzer AEC: Mitarbeiter klagen , 11. Dezember 2008, o. S.
Oberösterreichische Nachrichten, Rechnungshof prüft , 12. Dezember 2008, o. S.
Oberösterreichische Nachrichten, Dringend gesucht: Krisen-Manager für Linzer Ars Electronica Center , 13. Dezember 2009, S. 41
Oberösterreichische Nachrichten, Stadt Linz muss Zuschuss für AEC mehr als verdoppeln , 15. Dezember 2008, S. 1
Oberösterreichische Nachrichten, AEC noch ohne Wirtschaftsplan für 2009 , 16. Dezember 2008, S. 26
Oberösterreichische Nachrichten, AEC: Mit weniger Personal mehr verdienen , 6. März 2009, S. 24
Oberösterreichische Nachrichten, Stadt Linz stellt AEC-Personal jetzt doch an, 30. Jänner 2009, S. 27