Die Ich-AG ist kein Honiglecken

Die Ich-AG ist kein Honiglecken

von Lydia Thanner und Andre Zogholy

Insgesamt zeichnet sich das Kunst- und Kulturfeld durch atypische Beschäftigungsformen aus. Neue Modelle der Selbständigkeit, Teilzeitarbeit und befristete Beschäftigung auf Projektbasis prägen neben dem Ehrenamt verstärkt den Alltag von Kunst- und Kulturschaffenden. Als prekär werden diese allgemein bezeichnet, wenn sie unsicher und nicht existenzsichernd sind, oder unzureichend in sozial- und arbeitsrechtliche Sicherungssysteme einbinden. Der Zusammenhang zwischen Prekarität und Flexibilität wird deutlich. Richard Sennett leitet in seiner Arbeit "Der flexible Mensch" diesen Begriff folgendermaßen her:

"Das Wort 'job' bedeutete im Englischen des 14. Jahrhunderts einen Klumpen oder eine Ladung, die man herumschieben konnte. Die Flexibilität bringt diese vergessene Bedeutung zu neuen Ehren. Die Menschen verrichten Arbeiten wie Klumpen, mal hier, mal da."
(Sennett 1998, S. 10)

Die Lebensrealitäten zeichnen sich durch neue Selbständigkeit und Beschäftigungsverhältnisse am Existenzminimum aus. Arbeitsintensive Zeiten wechseln mit Phasen ohne Projekt; Kreativität, Identifikation oder Lösungsorientiertheit werden zum individuellen Wettbewerbsfaktor.
Gleichzeitig gelten jene, die im Kunst- und Kulturfeld arbeiten, als Role-Models für andere Wirtschafts- und Lebensbereiche, für wirtschaftliche Privatisierung und eine Ökonomisierung des Sozialen. Bezeichnend ist das deutsche Unwort des Jahres 2002, die Ich-AG (Kurz für Ich-Aktiengesellschaft). "UnternehmerInnen ihrer Selbst" gelten demnach vielleicht als Modell für den Arbeitsmarkt, jedoch nicht als sozial- und gesellschaftspolitisches Vorbild.



Sennett, Richard, Der flexible Mensch, 8. Aufl., Berlin 1998

Blimlinger, Eva, Zogholy, Andre (Hrsg.), FLEXART - FLEXIBLE@ART, Linz 2007