Der Goldhauben-Eklat

Der Goldhauben-Eklat

von Michael John

Im elektronischen Österreich-Lexikon "aeiou" wird zur Eintragung "Goldhaube" folgendes festgehalten:

"1) Ursprünglich aus Leinen bestehende Frauenkopfbedeckung, ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts (bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts) von Bürgerfrauen getragen. Am bekanntesten ist die mit goldenen Flinserln reich verzierte "Linzer Goldhaube", die als Typ weite Verbreitung fand […] Die Goldhaube steht bis heute für bürgerliche Wohlhabenheit und wird vor allem noch in Oberösterreich von Frauengruppen an Feiertagen getragen 2) Militärisches Luftüberwachungs- und Führungssystem, das […] den Luftraum über dem gesamten österreichischen Territorium gegen Verletzungen durch ausländische Flugzeuge schützen soll."
(http://austria-forum.org/wbtmaster/courses/aeiou_forum1.htm, Stichwort Goldhaube)

    In dieser Eintragung wird eine Doppelbedeutung des Begriffs in Österreich sichtbar, der auch im nachfolgenden Fall eine Rolle spielt. Zum einen handelt es sich bei der Goldhaube um ein für die Tradition wichtiges, oberösterreichisches Trachtenstück, zum anderen ist der Begriff ein Synonym für ein Abwehrsystem.

    Als in Linz 2002 eine junge Frau mit afroamerikanischem Vater auf einem Prospekt die traditionelle oberösterreichische Goldhaube trug, führte dies zu emotionsgeladenen Diskussionen. Es habe Widerstände gegeben, das Bild einer Oberösterreicherin mit dunkler Hautfarbe auf dem Image-Folder der Goldhaubengruppen zu platzieren, erzählte die Obfrau und Landtagsabgeordnete Martina Pühringer bei der Präsentation des Folders in Linz. Dies sei nicht "typisch oberösterreichisch", wurden Stimmen von KritikerInnen laut. Die Debatte um das heimische Trachtenstück gelangte in die regionale Presse und inspirierte zu Schlagzeilen wie: "Goldhauben-Prospekt: Dunkelhäutige ließ Oberösterreicherinnen erblassen." (Oberösterreichische Nachrichten vom 24. Oktober 2002, S. 17) Auch das Fernsehen berichtete darüber, die Prime-Time-Sendung "Oberösterreich Heute" über die "schwarze Schönheit mit der Goldhaube […] wenn auch etwas unscharf in den Hintergrund gerückt", machte den Fall über lokale Grenzen hinaus bekannt. (ORF 2, Oberösterreich Heute vom 23. Oktober 2002)

    Grund der Kritik war das Foto der 22-jährigen Hausruckviertlerin Sharon Callender:

Die in Grieskirchen geborene Dame hat ihre dunkle Hautfarbe vom amerikanischen Vater geerbt und ist seit langem der Goldhaubenidee zugetan. Wer sie nur reden hört, würde sie als waschechte Oberösterreicherin identifizieren"
(Oberösterreichische Nachrichten vom 24. Oktober 2002, S. 17)

    konnte man in den Oberösterreichischen Nachrichten lesen.

    Im Fernsehinterview hielt Sharon Callender dazu fest: "Es fällt mir schwer, das nachzuvollziehen". Gemeint war damit die Kritik an ihrer Person als Trachtenträgerin. Und: "Ich habe es schön gefunden, in der Tracht aufzutreten." (ORF 2, Oberösterreich Heute vom 23. Oktober 2002)

    Das Motiv der Obfrau der Goldhaubengemeinschaft, Martina Pühringer, die in der Form der Goldhauben-, Kopftuch- und Hutgruppen 18.000 Mitgliedern vorsteht, war es, Weltoffenheit und Modernität zu symbolisieren, wie dies auch drei Jahre später nochmals bekräftigt wurde: "Mit der 'Goldhaube' ins 21. Jahrhundert". (Pühringer 2005, S. 58)

    Der (kleine) Goldhauben-Eklat stellt jedoch keinen Einzelfall dar. In Vorarlberg hatte es etwa kritische Stimmen gegeben, als ein aus der Türkei stammender Mann zum "Mister Vorarlberg" gewählt wurde. In Bozen erregte eine schwarze "Miss Italia" Aufsehen. Es gehört zu den "Klassikern" xenophober Haltungen bzw. Ängste, anderen Ethnien, Zugewanderten, Volksgruppen oder Nationen hässliches Aussehen, üblen Geruch oder andere, mit ästhetischen Wertungen verbundene Eigenschaften zuzuschreiben oder sie nicht als "wert" zu befinden, ein bestimmtes Land, eine bestimmte Stadt zu vertreten - oder eben auch eine bestimmte Tracht zu präsentieren.



Pühringer, Martina, "Mit der Goldhaube ins 21. Jahrhundert", in: OÖ Forum Volkskultur (Hrsg.), Tracht & Austrian Look, Linz 2005, S. 58 - 59