Kopftuchstreit an Linzer Schulen
Kopftuchstreit an Linzer Schulen
von Michael John
Einem 13-jährigen Mädchen wurde 2004 in der Linzer Stelzhamer-Hauptschule untersagt, mit dem Kopftuch den Unterricht zu besuchen. Die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten dazu:
(Oberösterreichische Nachrichten vom 15. Mai 2004, S. 33)
Auch die österreichische Bildungsministerin verwies darauf, dass ein Kopftuchverbot wegen der Religionsfreiheit rechtlich nicht haltbar sei. (Oberösterreichische Nachrichten vom 18. Mai 2004, S. 25)
2006, zwei Jahre später, machten Linzer Schulen im Zusammenhang mit dem Thema Migration wieder Schlagzeilen: "Die Grillparzer-Schule hat nur noch ausländische Erstklassler" diente ebenso als Seite-1-Aufmacher wie "Aufregung um Moslems in Linz". Dabei stand diesmal die Otto-Glöckel-Schule im Mittelpunkt. Wiederum berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten detailliert über die Ereignisse:
(Oberösterreichische Nachrichten vom 29. Dezember 2006, S. 31)
Seitens der Schulleitung wurden der "Kopftuchstreit" und einige andere Vorfälle als dermaßen Imageschädigend begriffen, dass die Otto-Glöckel-Schule 2009 in BORIS (Berufsorientierte Internationale Schule) umbenannt wurde.
Unabhängig von den politisch instrumentalisierten Konflikten um das Kopftuch und die AusländerInnenanteile an den Schulen werden innerhalb der großen Gruppen muslimischer Zugewanderter über Lebensweisen und Erziehungsformen intensive Diskussionen geführt. So warnte Tülay Tuncel vom städtischen Integrationsbeirat vor Parallelstrukturen und fundamentalistischen Tendenzen in Linz und sprach dabei konkret den Einfluss von Imamen und stark traditionsgebundener religiöser Erziehung an. Gebetshäuser seien laut Tuncel
(der Standard vom 22. Jänner 2008, S. 8)
Religion ist etwas, das bei den Zuwanderungsdebatten innerhalb der Communities der MigrantInnen und auch bei der Mehrheitsbevölkerung eine erhebliche Rolle spielt. Eine Mehrheit lehnt in Linz den Bau einer Moschee ab. Zu Neujahr 2008 wurden auf dem Baugrund der in Linz geplanten Moschee Schweineköpfe abgelagert, um auf deftige Weise die Ablehnung des Projekts zu demonstrieren. Auch im nahegelegenen Ansfelden war gegen den Bau einer Moschee bzw. eines Bethauses massiv protestiert wurden. Mit baurechtlichen Schritten wird in Österreich und auch in Linz sogar gegen Bauwerke vorgegangen, die lediglich orientalische bzw. Assoziationen mit dem Islam hervorrufen. Als ein Linzer Unternehmer auf dem Linzer Freinberg eine Villa mit Rundbögen errichten lassen wollte, bezeichneten Medien diese als "Moschee", der Linzer Gestaltungsbeirat wurde mit den Worten zitiert: "Das Ensemble sieht aus, als stünde es in Saudi-Arabien". (Oberösterreichische Nachrichten vom 22. April 2009, S. 31) Das Projekt wurde abgelehnt und durfte in dieser Form nicht gebaut werden. Während in Deutschland derzeit 184 Moscheen in Bau oder Planung sind, wurden bisher in Österreich zwei Moscheen (nicht Gebetshäuser oder Gebetsräume) neu errichtet, eine dritte ist in Planung. (vgl. Profil Nr. 18 vom 27. April 2008, S. 128 f.)
Religion als Symbol für eine "Leitkultur" bewegt in der Landeshauptstadt auf jeden Fall die Gemüter. Abseits vom Dauerthema "Kopftuch" entspann sich 2008 im Vorwahlkampf der Gemeinderats- und Landtagswahlen eine eigenartige Diskussion. Es ging um das Anbringen von (christlichen) Kreuzen in Linzer Kinderbetreuungseinrichtungen, in denen sie bislang nicht angebracht waren. Die anachronistische "Kruzifixdebatte" zwischen konservativen und sozialdemokratischen politischen Kräften, die Parallelen zu Debatten der 1920er-Jahre aufwies, wurde mit Erbitterung geführt. In Linz endete die Diskussion im November 2008 damit, dass die Stadt Linz nun in allen städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen Kreuze neu anbringen ließ, unabhängig davon, ob die Mehrheit der Kinder christlichen Glaubens ist. (vgl. Die Presse vom 19. November 2008, S. 5 und Der Standard vom 19. November 2008, S. 10) Im Stadtgebiet von Linz sind knapp 60 Prozent der Bevölkerung katholischen Glaubens, in einigen Stadtteilen ist diese Mehrheitsposition jedoch nicht gegeben. Schon in den 1990er-Jahren sahen im Rahmen einer Linzer Studie 50 Prozent der Befragten negative Auswirkungen auf den Faktor "Religion" durch ausländischen Zuzug im Neustadtviertel. Konkret orteten 37,5 Prozent eine "islamische Gefahr". (vgl. Mörth 1993, S. 99)