Linz - Die sauberste Industriestadt Österreichs

Linz - Die sauberste Industriestadt Österreichs

von Thomas Philipp

Seit Beginn der 1980er-Jahre nahmen die Probleme mit den Hauptluftschadstoffen Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Staub in Linz zu - nicht zuletzt aufgrund der laufenden Erweiterung der Großindustrie. Der über der Stadt liegende Smog wurde zu einem bestimmenden Thema in der öffentlichen und medialen Diskussion. In den Oberösterreichischen Nachrichten wurde im Oktober 1984 berichtet, dass die Linzer Luft seit mehreren Tagen "[…] nicht Gesprächs-, sondern schon Gekrächzthema Nummer 1" sei. Dutzende LeserInnen hätten sich bereits telefonisch beschwert, da sich die Lage trotz der Drosselung bestimmter Anlagen der führenden Industrieunternehmen nicht gebessert habe. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten 1984, S. 5)

    Die Neue Kronen Zeitung titelte am 24. Jänner 1985 in bekannt theatralischer Aufmachung "Smog-Alarm versetzt Linzer in Schrecken!" und berichtete über die Drosselung der Anlagen bei der VOEST und der Chemie AG. (vgl. Neue Kronen Zeitung 1985a, S. 1 und 8) Ende des selben Jahres wurde ein Beitrag unter dem Titel "Linz: Gift-Smog macht die Kinder krank" veröffentlicht:

"Die milden Temperaturen verwandelten das Linzer Becken in eine unzumutbare Giftküche: Seit Dienstag schnürt die mit Schadstoffen überladene Nebelsuppe den Bewohnern vieler Stadtteile den Atem ab, Grenzwerte wurden bis zu mehr als 350 Prozent überschritten. Besonders Kinder und ältere Menschen leiden unter dem Smog. Zwei Schüler erbrachen auf offener Straße."
(Neue Kronen Zeitung 1985b, S. 8)

    Nur kurze Zeit später kam es zu Streiks und Protesten von tausenden SchülerInnen. Nach mehreren Tagen Smog formierten sich diese an verschiedenen Schulen (HTL II an der Paul-Hahn-Straße, Bundeshandelsakademie Linz-Auhof, Oberstufengymnasium an der Honauerstraße, …) und marschierten zum Neuen Rathaus. Eine Delegation der SchülerInnen wurde vom damaligen Umweltschutz-Stadtrat Josef Ackerl empfangen, der Verständnis für die Proteste zeigte.(vgl. Neue Kronen Zeitung 1985c, S. 8 ff.)

    Die zu dieser Zeit aufkeimenden ökologischen Bewegungen (Stichwort: Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984) übten zusätzlichen Druck auf die politischen Verantwortlichen aus. Die fiktive Dokumentation "Luftschnappen Anno Domini 2001" des Filmemachers, Chemikers und Autors Hans-Werner Mackwitz aus dem Jahr 1987 zeigte etwa Bürgerinitiativen, die unter dem Label "No Smogging" gegen die Luftverschmutzung auf der Linzer Landstraße demonstrierten. (vgl. Mackwitz 1987)

    Die Linzer Politik hatte bereits in den Jahren zuvor Maßnahmen gesetzt, die zur Verbesserung der Umweltsituation beitragen sollten. So lieferte die städtische Schadstoffmessung seit den 1950er-Jahren wichtige Daten und wirkte bei behördlichen Genehmigungsverfahren mit. Im Jahr 1974 wurde sie zur Abteilung Umwelthygiene umgewandelt, am Ende der Ära von Bürgermeister Franz Hillinger im Jahr 1983 sogar als eigenes Amt für Umweltschutz eingerichtet. (vgl. Mayr 1997, S. 72 ff.) Die Schritte gingen jedoch nicht weit genug, vor allem aufgrund von befürchteten wirtschaftlichen Standortnachteilen:

"Hillinger schreckte allerdings davor zurück, als Stimmen laut wurden, auch die verstaatlichte Industrie mit Umweltschutzmaßnahmen in die Pflicht zu nehmen. Legendär wurde in diesem Zusammenhang sein Ausspruch, dass es ja auch in der Sahara staube."
(Mayrhofer/Schuster 2007, S. 49)

    In dieser Zeit wurde auch der Spruch "In Linz, da stinkt's!" zum geflügelten Satz, der das Image der Stadt auf Jahre hinaus dominierte. In Artikeln, Karikaturen oder Filmbeiträgen wurde das Bild der dreckigen Industriestadt Linz ständig reproduziert. So wurde etwa in einer im Jänner 1986 auf ORF ausgestrahlten Dokumentation mit dem Titel "Die Donau - Luftbilder von der Quelle bis zur Mündung" ein Spannungsbogen von der Linzer Klangwolke zur Linzer Smogwolke gespannt. Die Luftverschmutzung wurde dabei sogar als Auslöser für den Tod mehrerer Kleinkinder verantwortlich gemacht: "Nach dem großen Smog-Alarm vom 20. September 1985 starben hier in Linz vier Säuglinge." (vgl. ORF 1986) Der damalige Bürgermeister Hugo Schanovsky protestierte in einem Brief an die ORF-Intendanz und die Regisseure des Films gegen diese Darstellung. (vgl. Neue Kronen Zeitung 1986, S. 13 und Interview mit Schanovsky 2008)

    Schanovsky, seit 1984 amtierender Bürgermeister der Stadt, war es auch, der 1985 mit dem Slogan "Linz muss die sauberste Industriestadt Österreichs werden!" und dem Zusatz "für BESSERE LUFT!" in den Gemeinderatswahlkampf zog. Als Maßnahmen waren auf den SPÖ-Wahlplakaten zu lesen: Neue Sinter-Kokerei und Salpetersäureanlage, Fernwärme und öffentlicher Verkehr, Umweltförderung für Gewerbebetriebe. (vgl. Mayr 1997, S. 79 ff.) Die ambitionierte Wahlkampfforderung geriet durch die im Spätherbst 1985 beginnende Krise der VOEST in Gefahr, zur reinen Utopie zu verkommen. Der Kampf um jeden Arbeitsplatz schien wichtiger als ökologische Fragen. Trotzdem hielt die Stadtregierung an ihrem Programm zur Verringerung der Belastung der Linzer Luft mit Schadstoffen fest. Die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten im Mai 1987 beispielsweise von der "Umwelt-Kraftprobe zwischen Voest und der Stadt Linz":

"Wenn die Voest ihre Ankündigung wahr macht, dass sie aus Spar-Gründen auf den Neubau eines der schlimmsten Umweltverschmutzer, der Sinteranlage, verzichtet, dann muss es zur Umwelt-Kraftprobe mit der Stadt Linz kommen. Stadtrat Ackerl hat angekündigt, dass er die Einhaltung aller Auflagen zur Verbesserung der Luft durchpeitschen und auf die Erfüllung bereits rechtskräftiger Bescheide pochen wird."
(Oberösterreichische Nachrichten 1987, S. 1)

    Die in den Folgejahren getätigten Umweltinvestitionen in die Großindustrie müssen demnach auch als die zentralen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation angeführt werden. So gelang es, bis zum Jahr 1990 die Belastungen der Hauptluftschadstoffe Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Staub von insgesamt 47,3 auf 23,3 Tonnen zu reduzieren. Bis zum Jahr 1996 konnten diese Emissionen weiter auf 12,7 Tonnen gesenkt werden und halten sich seither auf diesem geringen Niveau. Ein Vergleich mit anderen österreichischen Städten zeigt, dass Linz mittlerweile beim Luftgütevergleich im Jahresmittelwert 2007 knapp hinter Wien auf Platz 2 der Rangliste liegt.

    Der jahrzehntelange Kampf gegen das Image der dreckigen Industriestadt und die Erfolge in der Verbesserung der Umweltsituation, insbesondere der Luftqualität, haben die kollektive städtische Identität nachhaltig geprägt. Es kann durchaus behauptet werden, dass der Sauberkeit in Linz ein sehr hoher Stellenwert zukommt - in all ihren Facetten. So entschloss sich beispielsweise die Stadt im Jahr 2004 erstmalig, 60 von 100 Ferialjob-PraktikantInnen für eine saubere Stadt einzusetzen. Gemeinsam mit den MitarbeiterInnen des Tiefbau-, Garten- und Schulamtes sowie Immobilienservice sollten sie Parks, Sportplätze, Straßen, Verkehrsschilder und Schulen reinigen. Allerdings sagten beinahe die Hälfte der sich bewerbenden SchülerInnen ab, nachdem sie von ihrem Tätigkeitsfeld erfahren hatten. Eine Entscheidung, die von den politischen Verantwortlichen nicht nachvollzogen werden konnte. (vgl. Linzer Rundschau 2004, S. 10)



Interview mit Hugo Schanovsky, Linz 2008

Linzer Rundschau, Ferialjob abgesagt: Zum Müllklauben zu schade, Nummer 23, 2. Juni 2004, S. 10

Mackwitz, Hanswerner, Luft schnappen A. D. 2001, Dokumentation, Wien 1987

Mayr, Johann, Linz. Stadt der Arbeit und Kultur, SPÖ Linz-Stadt, Linz 1997

Mayrhofer, Fritz, Schuster, Walter, "Kommunalpolitik", in: dies. (Hrsg.), Linz zwischen Wiederaufbau und Neuorientierung 1945 - 1984, Linz-Bilder, Band 3, Linz 2007, S. 45 - 71

Neue Kronen Zeitung, Smog-Alarm versetzt Linzer in Schrecken, 24. Jänner 1985, Linz 1985a, S. 1

Neue Kronen Zeitung, Linz: Gift-Smog mach die Kinder krank, 5. Dezember 1985, Linz 1985b, S. 8 f.

Neue Kronen Zeitung, Tausende Schüler streikten wegen des Smogs, 7. Dezember 1985, Linz 1985c, S. 8 f.

Neue Kronen Zeitung, Protest gegen bösen ORF-Film über Linz, 21. Jänner 1986, Linz 1986, S. 13

Oberösterreichische Nachrichten, Linz: Luft weiter zum Schneiden. Hustenanfälle plagen Kinder, 20. Oktober 1984, Linz 1984, S. 5

Oberösterreichische Nachrichten, Umwelt-Kraftprobe zwischen Voest und der Stadt Linz, 11. Mai 1987, Linz 1987, S. 1

ORF, Die Donau - Luftbilder von der Quelle bis zur Mündung, Sendung vom 2. Jänner 1986