Straßenbenennung Langoth vs. Jägerstätter
Straßenbenennung Langoth vs. Jägerstätter
von Michael John
Franz Langoth verfügte bei Politikern der beiden Großparteien in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik über großes Ansehen. 1952, knapp ein Jahr vor Langoths Tod, verfasste der von der Sozialdemokratie ehemals als Landeshauptmann vorgeschlagene Alois Oberhummer (vgl. Koref 1980, S. 256) im sozialistischen Tagblatt eine Besprechung von Langoths Memoiren "Kampf um Österreich". Oberhummer charakterisierte den Autor äußerst positiv:
(zit. nach Schuster 1999, S. 260)
Der Sozialdemokrat Oberhummer verglich an dieser Stelle das US-Internierungslager für NS-FunktionärInnen in Glasenbach mit den Konzentrationslagern Dachau, Buchenwald und Mauthausen, und er stellte den für Todesurteile verantwortlichen ehemaligen NS-Oberbürgermeister auf eine Ebene mit dem katholischen und dem sozialdemokratischen Widerstand.
Nach dem Tod Langoths erlangte eine Gedenkstunde im Gemeinderat der Stadt Linz im Jahre 1953 besondere Aufmerksamkeit. Diese war durch Bürgermeister Ernst Koref den Abgeordneten oktroyiert worden. Zehn Mandatare blieben der Gedenkfeier fern. Bekanntlich fühlte sich Koref dem ehemaligen NS-Oberbürgermeister persönlich verpflichtet, setzte diese Verpflichtung als Bürgermeister jedoch in politisch relevantes Handeln um. Ernst Koref hielt tatsächlich im Linzer Gemeinderat eine im Amtsblatt abgedruckte Würdigungsrede: "Langoth hat nicht nur jahrzehntelang in Oberösterreich und in Linz verdienstvoll als Erzieher gewirkt," so der Bürgermeister,
(Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz, Jahrgang 1953, Nr. 7/8, S. 137)
Bereits 1954 brachte der Verband der Unabhängigen (VdU) den ersten Antrag auf die Benennung einer Straße nach Franz Langoth ein. Die anderen Fraktionen lehnten ab. Unter Bürgermeister Koref wurden 1960 von der Stadtverwaltung Künstler beauftragt, ein Bürgermeisterporträt von Langoth anzufertigen. Rudolf Wernicke, der das Ölgemälde von Bürgermeister Koref schuf, malte 1960/61 ex-post auch Oberbürgermeister Langoth. Nach Walter Schuster wurde "[…] aus dem SS-Brigadeführer Langoth […] auf diesem, sieben Jahre nach seinem Tod gemalten Porträt ein gütig blickender Herr." (Schuster 1999, S. 265) Das Anliegen, eine Straße nach Langoth zu benennen, wurde von der Nachfolgepartei des VdU, der FPÖ, im Jahre 1967 wieder aufgenommen. Bürgermeister Edmund Aigner (SPÖ) signalisierte Zustimmung, es gab jedoch politische Gegenstimmen seitens der ÖVP und der KPÖ. Insbesondere opponierte der ehemalige Landesparteiobmann der ÖVP, Albert Schöpf, gegen das Vorhaben. Der Antrag auf eine Straßenbenennung wurde in der Frage rückgestellt. Unter Bürgermeister Franz Hillinger (SPÖ) war es dann soweit: Im April 1973 veröffentlichte die von der Stadt Linz herausgegebene "Linzer Woche" einen lobenden Gedenkartikel, am 28. Mai 1973 beschloss der Stadtsenat, bestehend aus Vertretern der SPÖ und ÖVP die Benennung einer Langothstraße. (vgl. ebd., S. 271) Bürgermeister Hillinger dürfte, nach den Informationen des Archivs der Stadt Linz, in den Kriegsjahren dem Nationalsozialismus nicht fern gestanden sein. In der Mitgliederkartei der NSDAP wurde er seit dem 1. September 1941 als Parteigenosse geführt. (Archiv der Stadt Linz 2005, S. 121)
Die Namensbenennung wurde damals allerdings schon von linksalternativer und kommunistischer Seite kritisiert. Eine Initiative unter der Führung des kommunistischen Gemeinderats Franz Kain, unter Einschluss der Israelitischen Kultusgemeinde, jungsozialistischer und katholischer AktivistInnen kämpfte jahrelang für eine erneute Umbenennung.
1985 ereigneten sich dann entscheidende Schritte. Noch am 8. Mai 1985, anlässlich der Feier zur Befreiung Österreichs vor 40 Jahren, hatten die Festredner der ÖVP und FPÖ, Vizebürgermeister Carl Hödl und Stadtrat Uwe Seyr, Langoths "Verdienste" im Gemeinderat gewürdigt. (vgl. Schuster 1999, S. 281) Im September 1985 begann eine Kampagne der kommunistischen Zeitung Neue Zeit, in der die Todesurteile mit Langoths Unterschrift thematisiert wurden, andere Zeitung folgten in der kritischen Hinterfragung Langoths. (vgl. ebd., S. 282 ff.) Im Dezember 1985 forderte der "Bund Sozialistischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus", Landesleitung Oberösterreich, die SPÖ-Gemeinderatsfraktion, die Langothstraße in Franz-Jägerstätter-Straße umzubenennen. Bürgermeister Schanovsky (SPÖ) setzte sich in der Sache persönlich stark ein, er informierte kurze Zeit danach die Gemeinderatsfraktionen, dass es für Linz nicht länger tragbar sei, dass eine Straße nach Franz Langoth benannt worden sei. (vgl. ebd., S. 285) Anfang Jänner sah es so aus, als ob der neue Straßenname auf den Wehrdienstverweigerer Jägerstätter lauten werde - was wiederum auf verschiedenen Ebenen nicht unumstritten war. Die Linzer Rundschau berichtete am 9. Jänner 1986:
(Linzer Rundschau vom 9. Jänner 1986, S. 7)
In dem Artikel wurden die Informationen sehr selektiv wiedergegeben. Über Langoth erfuhr man, dass er "Lehrer", "Landtagsmitglied" sowie "Landeshauptmann-Stellvertreter" und "allzu nah in den Dunstkreis der Nazis geraten" sei (vgl. ebd.), nicht jedoch dass er SS-Brigadeführer, NS-Reichsratsabgeordneter, NS-Oberbürgermeister war und dutzende Todesurteile gefällt hatte.
"Ich habe damals mit Bürgermeister Schanovsky über die Angelegenheit gesprochen", erinnert sich der damalige Stadtrat Josef Ackerl (SPÖ),
(Interview mit Landesrat Josef Ackerl, OÖ Landesregierung, am 23. Jänner 2009 (Tonband))
Schließlich fand am 23. Jänner 1986 eine turbulente Gemeinderatssitzung statt, in der das Thema Langothstraße zur Sprache kam. ÖVP-Vizebürgermeister Carl Hödl wollte die Akten noch prüfen, bevor man sich endgültig festlegte. Die FPÖ sprach sich eindeutig gegen eine Umbenennung aus, Alfred Thewanger (FPÖ) sprach angesichts einer Umbenennung von einer Diskriminierung der Person Franz Langoth. Der kommunistische Gemeinderat Franz Kain, der ebenso wie die KPÖ-Parteizeitung Neue Zeit mit der Veröffentlichung von Langoth-Urteilen aus der NS-Zeit einen wesentlichen Beitrag zur Debatte geleistet hatte, hielt in seiner Replik fest:
(zit. nach Schuster 1999, S. 286 f.)
In weiterer Folge wurde die Angelegenheit dem Stadtsenat weitergeleitet. Der Stadtsenat beschloss am 24. März 1986 mit den Stimmen der SPÖ und ÖVP eine der Langothstraße in Kaisergasse. (vgl. Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz, Jahrgang 1986, Nr. 7, S. 156)
1986 war es also nicht möglich gewesen, eine "Langothstraße" zu einer "Jägerstätterstraße" umzubenennen. Franz Jägerstätter war ein zutiefst religiöser Wehrdienstverweigerer aus dem Innviertel, der von den Nationalsozialisten hingerichtet worden war. (vgl. dazu Würthinger 2000, S. 163 - 180 und Putz 2007) Offenbar wäre die eindeutige Symbolik Langoth versus Jägerstätter nicht mehrheitsfähig gewesen. Jägerstätter galt damals noch vielen als "Querulant", "eine Art Deserteur" oder "religiöser Fanatiker". Im Feldurteil gegen Jägerstätter wurde dessen Motiv festgehalten:
(zit. nach Mitteilungen des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW), Folge 183, Oktober 2007, S. 1)
Die große Mehrheit der österreichischen Männer diente in der Wehrmacht oder der Waffen-SS und wurde dort einige Zeit sozialisiert. Nur einige hundert Wehrdienstverweigerer sind demgegenüber in den Akten registriert. In der Presse heißt es zur Wahrnehmung Jägerstätters:
(Die Presse vom 19. Mai 2007, S. 37)
Nach Diskussionen wurde schließlich unter Bürgermeister Franz Dobusch im Jahr 1988 durch einen Beschluss des Stadtsenats eine Straße in Urfahr nach Franz Jägerstätter benannt. (vgl. Archiv der Stadt Linz (AStL), Stadtsenatsbeschluss vom 11. Jänner 1988) Erst 1997 wurde das Kriegsgerichtsurteil gegen Jägerstätter aufgehoben. Mit der durch den Papst im Jahr 2007 autorisierten Seligsprechung Jägerstätters wurde dieser auch in konservativen Kreisen vollständig rehabilitiert.1
Koref, Ernst, Gezeiten meines Lebens, Wien/München 1980
Putz, Erna, Franz Jägerstätter - Märtyrer. Leuchtendes Beispiel in dunkler Zeit, Grünbach 2007
Schuster, Walter, Deutschnational. Nationalsozialistisch. Entnazifiziert. Franz Langoth. Eine NS-Laufbahn, Linz 1999
Würthinger, Monika, "Franz Jägerstätter. Bauer und Mesner", in: Mikrut, Jan (Hrsg.), Blutzeugen des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Wien 2000, S. 163 – 180