LD-3

von Thomas Philipp

Legendär ist die Entwicklung des so genannten LD-Verfahrens. Bei diesem Verfahren wird kohlenstoffreiches Roheisen mit einem Sauerstoffaufblasverfahren in kohlenstoffarmen Stahl umgewandelt. Dazu wird in einem Tiegel flüssiges Roheisen mit Schrott im Verhältnis 70:30 vermischt und mit Schlackenbildner und Rohmagnesit angereichert. Danach wird über eine wassergekühlte Sauerstofflanze reiner Sauerstoff mit einem Druck von ca. 12 bis 14 bar auf das flüssige Eisenbad aufgeblasen. Nach rund 15 Minuten sind die Begleitelemente des Roheisens genügend reduziert und der Schrott ist geschmolzen, womit aus Roheisen bereits Rohstahl geworden ist. Anschließend wird die Schmelze durch die Zufuhr von Inertgasen gemischt und auf ein homogenes Niveau gebracht. Sobald die gewünschte Qualität erreicht ist, wird die Schmelze in eine bereit stehende Pfanne abgestochen, wobei nur der Rohstahl über einen eigenen Kanal in die Pfanne gelangt und diesem noch Legierungselemente und Desoxidationselemente hinzugegeben werden. (vgl. voestalpine AG o. J.)

    Unter der technischen Leitung von Theodor Eduard Suess gelang es in der Zeit des Wiederaufbaus der VÖEST nach dem Zweiten Weltkrieg, dieses Verfahren so weit zu entwickeln, dass mit ihm die österreichische Stahlindustrie in Folge ihren Aufschwung erlebte. Im Juni 1949 wurden dabei von Suess, dem Hüttendirektor Herbert Trenkler, dem späteren Hüttendirektor Rudolf R. Rinesch, dem Direktor der Abteilung "Forschung und Qualitätskontrolle" Hubert Hauttmann, Kurt Rösner, Otwin Cuscoleca, Felix Grohs, Fritz Klepp und Wolfgang Kühnelt mehrere Versuche durchgeführt, um durch Aufblasen von reinem Sauerstoff auf flüssiges Roheisen Stahl herzustellen. Bei einem dieser Versuche bemerkte Hauttmann, dass die Lanze, mit der die Düse möglichst nahe an das Roheisenbad herangebracht wurde, in etwa 40 Zentimeter Abstand von der Düse ein Loch bekommen hatte. Obwohl der Sauerstoff dadurch mit größerem Abstand auf das Eisenbad getroffen war, ließen die Gutachten erkennen, dass der erblasene Stahl allen Qualitätsansprüchen genügte. Weitere Versuche mit größerem Düsenabstand und geringerem Druck brachten hervorragende Resultate mit sich. (vgl. Sandgruber 2008)

    Nachdem am 15. Dezember 1950 das Österreichische Patent Nr. 168589 erteilt wurde, kam es zu heftigen Meinungsverschiedenheiten unter den Beteiligten, wer der Erfinder des Verfahrens sei. Die VÖEST meldete daraufhin alle beteiligten Personen als "Miterfinder" an. Zu Problemen kam es bei der internationalen Anerkennung der Patente. So wurde mit der Firma H. A. Brassert Inc. eine gemeinsame Gesellschaft (Brassert Oxygen Technic AG) gegründet, um die amerikanische Besatzungsmacht nicht zu provozieren. Über die amerikanische Firma wurden die Lizenzen in Folge vertrieben, bis alle Anteile 1956 an die VÖEST verkauft wurden. In den USA wurden die Patente allerdings nicht anerkannt, wodurch Lizenzgebühren in hohem Ausmaß verloren gingen. (vgl. Sandgruber 2008)

    Bereits Ende 1949 wurde die Entscheidung getroffen, ein neues Stahlwerk mit zwei 30-Tonnen-Tiegeln zu errichten, das nach dem Sauerstoff-Frischeverfahren arbeitet. (vgl. Geschichteclub Stahl o. J.) Am 27. November 1952 begann die VÖEST mit der industriellen Nutzung des Verfahrens. Das weltweit erste LD-Stahlwerk LD-1 ging in Betrieb, die erste Schmelze vom Tiegel Nr. 2 wurde abgestochen. Die offizielle Eröffnung des Stahlwerks fand am 5. Jänner 1953 durch Bundespräsident Theodor Körner statt. Erst 25 Jahre später wurde das LD-1 stillgelegt, an die Gunawan Iron and Steel Company verkauft und auf dem Wasserweg nach Malaysia verschifft. (ebd.)

    Im Juli 1959 folgte das LD-2 und am 30. Juli 1973 nahm das LD-3 seinen Betrieb auf. In der Vöest-Alpine-Werkszeitung 5/6 aus dem Jahr 1974 wird stolz über das Stahlwerk berichtet:

"Wir stehen an der großen Verkehrsader des 6,5 Quadratkilometer großen Werksgeländes und haben das neue Wahrzeichen unseres Linzer Werkes, das dritte LD-Stahlwerk ('LD III'), im Blickfeld. Jenseits der Werkshauptstraße, neben dem Gichtgasbehälter, wuchtet sich, fast 70 Meter hoch, die Nordwestfront des LD III empor. Auf der imponierenden Stirnseite leuchtet das siebeneinhalb Meter hohe weiße Firmenzeichen auf dem rotbraunen Grund dem Beschauer entgegen."
(Vöest-Alpine-Werkszeitung 1974, S. 9)

    Das LD-3 der voestalpine AG in Linz produziert in drei Konvertern mehr als 5,4 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr. (vgl. voestalpine AG o.J.) Es gilt bis heute als eines der modernsten Stahlwerke der Welt. Mittlerweile entfallen mehr als 60 Prozent der weltweiten Rohstahlproduktion auf das LD-Verfahren, weitere 35 Prozent auf das Elektroofen-Verfahren und der Rest auf andere Verfahren wie das ältere Siemens-Martin-Verfahren. (vgl. voestalpine AG o. J.)

    Um die Abkürzung "LD" rankt sich bis heute ein Mythos. In Schulbüchern wird sie mit den Produktionsstandorten Linz und Donawitz erklärt. Andere Quellen bringen sie mit Linz-Donau oder Linzer Düsenverfahren in Verbindung. In einer 1965 verfassten Festschrift von Heinrich Hellbrügge wurde behauptet, die Abkürzung gehe auf den Schweizer Metallurgen Robert Durrer zurück, der in die Entwicklung des LD-Verfahrens mit eingebunden war (Linz-Durrer). Dies wird auch in einem Protokoll vom 9. Dezember 1949 wiedergegeben. (vgl. Sandgruber 2008) Durrer begann bereits Ende der 1930er-Jahre mit Versuchen mit seitlich oben aufgeblasenem Sauerstoff. Ab September 1947 gab es intensive Kontakte zwischen ihm und seinem Assistenten Hellbrügge sowie den Ingenieuren der VÖEST. Diese bestritten später allerdings heftig, dass Durrer an der Erfindung beteiligt gewesen sei. So wies beispielsweise Trenkler in einem Interview aus dem Jahr 1974 das LD-Verfahren eindeutig als österreichische Erfindung aus. Auf die Frage, ob er sich mehr gefreut hätte, wenn er diese Erfindung in den USA gemacht und dafür Dollar statt Schilling bekommen hätte, antwortete er:

"Nein, das keinesfalls. Ich bin ein geradezu fanatischer Österreicher und freue mich besonders, dass das eine österreichische Erfindung ist. Das Geld ist für mich gar nicht so wichtig."
(Bunte 1974)



Bunte, Ich bin ein fanatischer Österreicher, Nr. 12, 14. März 1974, Wien 1974

Geschichteclub Stahl, Das LD-Verfahren, Linz o. J.,
abrufbar unter http://www.geschichteclubstahl.at/geschichteclub/de/highlights/ldverfahr..., Zugriffsdatum: 3. Mai 2009

Sandgruber, Roman, LD-Verfahren erobert die Welt, Oberösterreichische Nachrichten, 26. März 2008

voestalpine AG, expedition voestalpine: Tiegelbetrieb, Linz o. J.,
abrufbar unter http://www.expeditionvoestalpine.com/stahlwerk/2/, Zugriffsdatum: 8. Mai 2009

Vöest-Alpine-Werkszeitung, LD III - weißer Dampf statt Staub, Heft 5/6, Linz 1974