Der Polizistentod in der Linzer Altstadt

von Lydia Thanner und Andre Zogholy

In der Nacht zum 2. September 1990 erwähnte der 33-jährige Günther Lindorfer in einem Lokal der Linzer Altstadt, dass er Polizist ist. Ein 28-jähriger Gast nahm dies wahr und beide verließen das Lokal, wo es zu einer Rauferei kam. Der Polizist ging nach einem Schlag verletzt zu Boden. (vgl. der Standard vom 3. September 1990, S. 89)

    Die Aufmerksamkeit von vier weiteren Lokalbesuchern - Hooligans im Alter zwischen 16 und 18 Jahren - wurde geweckt. Vor dem Lokal in der Hofgasse nahm ein 18-Jähriger Anlauf und trat Lindorfer mit voller Wucht. Als ihm ein zweiter Hooligan seinen Bierkrug entgegenschleuderte, war das Opfer bereits bewusstlos. Die Neue Kronen Zeitung berichtete am 2. September 1990 über den Tathergang:

"'Sie stürzten wie eine Horde Wilder ins Freie und traten mit Füßen auf ihr wehrlos auf dem Gehsteig liegendes Opfer ein', berichten Augenzeugen [...]. Als sich der durch mehrere kräftige Fußtritte bereits erheblich verletzte Polizist aufrichten wollte, holte einer der Gewalttäter aus und trat wie ein Fußballer beim Elf-Meterschießen mit voller Wucht gegen den Kopf seines Opfers."
(Neue Kronen Zeitung vom 2. September 1990, S. 12 f.)

    Obwohl PassantInnen sofort die Rettung riefen, überlebte Lindorfer den Fußtritt nicht. Als Todesursache wurden eine Gehirnblutung und eine innere Kehlkopfverletzung festgestellt. Der Lokalaugenschein mit den Tätern in der Linzer Altstadt lockte zahlreiche Schaulustige an. (vgl. Neue Kronenzeitung vom 4. September 1990, S. 8 f.) Gegen die drei Täter wurde das Verfahren wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang eingeleitet. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 3. September 1990, S. 8 f.) "Unter Hooligans gilt das Massakrieren eines Polizisten als Heldentat" (der Standard vom 3. September 1990, S. 8), zitierte der Standard die Polizei am 3. September 1990.

    Am 5. September 1990 veröffentlichten die Oberösterreichischen Nachrichten die Einschätzung zur Gewalt in der Linzer Altstadt durch Oberleutnant Pirklbauer:

"'Pro Woche werden durchschnittlich zwei Körperverletzungen angezeigt. Meistens besoffene Geschichten.' Die Hooligans sind oft zwei- bis dreimal pro Woche hier. 'Dann hören wir wieder eine Zeitlang nichts.' [...] Hauptprobleme in der Altstadt würden Kleinkriminalität wie Geldtaschen- oder Lederjackendiebstähle und Lärmbelästigungen - mit rund 10 Anzeigen pro Woche - sein."
(Oberösterreichische Nachrichten vom 5. September 1990, S. 20)

    In weiterer Folge wurde versucht, gegen die Hooligans vorzugehen und die Szene einzudämmen. Im Laufe des Jahres 2005 kam die Linzer Altstadt mit Schlägereien, Raufereien und nächtlichen Polizeiaktionen erneut in die Schlagzeilen. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 30. Juli 2005, S. 27) Daraufhin führte die "Polizei [...] die größte jemals organisierte Razzia" (ebd.) mit 50 Einsatzkräften und Hunden durch. Trotzdem kam es immer wieder zu tragischen Ereignissen in der Altstadt. So wurde im Mai 2007 der Lokalbesitzer Donatus Okafor nach einem Streit um zwei Glas Bier von einem Gast mit Messerstichen tödlich verletzt.(vgl. ORF Online und Teletext GmbH & Co KG vom 20. Mai 2007, o. S.)

    Derart findet das Thema Sicherheit in Linz seit Anfang der 1990er-Jahre gleichermaßen die Aufmerksamkeit von Politik, Öffentlichkeit und Medien. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der BürgerInnenbefragung 2004 nach Möglichkeiten zur Erhöhung des Sicherheitsempfindens. Knapp die Hälfte der Befragten beantwortete diese offene Frage mit dem Wunsch nach einer höheren Polizeipräsenz auf den Straßen (44 Prozent). (vgl. Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtforschung Linz 2005, S. 11) Die Verantwortlichen reagierten und setzten eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ein. Diese bestand aus VertreterInnen der Stadt Linz sowie der Bundespolizeidirektion und präsentierte im Jahr 2005 Erkenntnisse und Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in der Linzer Altstadt. Parallel erfolgte die Installation von Videokameras zur Überwachung der Linzer Altstadt. (vgl. Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz 2005, o. S.)

    Durch den Abbau von Dienststellen sank der Personalstand bei der Polizei im letzten Jahrzehnt kontinuierlich. Daher fordern und forderten PolitikerInnen nach wie vor die personelle Aufstockung des Personals durch das zuständige Innenministerium. (vgl. Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz 2005, o. S., vgl. Amt der Oö. Landesregierung 2008, S. 1 f.)

    Nachfolgende Tabelle soll die Entwicklung der Dienststellen und der Planstellen der Sicherheitswache Linz zwischen 1999 und 2007 veranschaulichen:

Entwicklung des Personalstandes und der Planstellen der Sicherheitswache Linz zwischen 1999 und 2007 in absoluten Zahlen
(Quelle: Personaldirektion des Landespolizeikommandos OÖ 2009, o. S.)

    Verfügte die Sicherheitswache der Polizei im Jahr 1999 über 763 Dienststellen, so reduzierte sich diese durch die Wachkörperreform ("Polizeireform") im Jahr 2005 auf 591 und in weiterer Folge auf 524 Stellen im Jahr 2007. Die Reduktion von 239 Dienststellen zwischen den Jahren 1999 und 2007 entsprach einer Reduktion im Ausmaß von 31,3 Prozent. Aus der Grafik ist zudem ersichtlich, dass in diesem Zeitraum eine Diskrepanz zwischen Dienst- und Planstellen in der Sicherheitswache existierte. Waren im Jahr 1999 insgesamt 14 von 777 Planstellen unbesetzt, erhöhte sich dieser Anteil bis in das Jahr 2007 auf 56 von 580 Dienststellen.

    Dem zusätzlichen Personalbedarf steht nach wie vor die Wahrnehmung eines überzogenen und hohen Polizeiaufkommens gegenüber. Zwei Musiknummern beschäftigen sich speziell mit der Stadt Linz im Zusammenhang mit der Polizei:

"Nirgendwo sonst gibt's so viel Polizisten / Legalisierte Terroristen."
(Willi Warma, Stahlstadtkinder, 1981)
"In Linz gibt es viel Polizei und trotzdem bin ich allein."
(Gustav, Linzserenade, 2004)

    Die diametrale Wahrnehmung der Polizei äußert sich vor allem im Zusammenhang mit der Jugend- und Subkultur. Bis in die späten 1990er-Jahre kennzeichnete insbesondere die Alternativszene zahlreiche Geschichten des Zusammentreffens mit der Polizei. So berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten am 7. Juni 1991 unter dem Titel "Bierdusche für Polizisten bei Konzerteinsatz" von einem Polizeieinsatz:

"Wegen Ruhestörung bei einem Konzert im Kulturverein 'KAPU' wurde die Funkstreife am Mittwoch zu mitternächtlicher Stunde in die Linzer Kapuzinerstraße gerufen - was die Beamten bald bereuten. Die Polizisten wurden von den Konzertbesuchern mit wüsten Beschimpfungen empfangen und mit Bier übergossen. Rowdys stießen einigen Beamten auch die Kappen vom Kopf. 'Das ist im Gedränge passiert', rechtfertigt man sich beim KAPU. Erst 20 Uniformierte mit einem Diensthund konnten die etwa 50 Jugendlichen 'besänftigen'. Drei randalierende Rädelsführer landeten im Polizeigefängnis."
(Oberösterreichische Nachrichten vom 7. Juni 1991, S. 15)

In Andreas Kumps Buch "Es muss was geben. Die Anfänge der alternativen Musikszene in Linz" erinnerten sich mehrere VertreterInnen an weniger harmlose Vorfälle:

Laurenz Hofstadler: "Ende der 80er, Anfang der 90er wurden die Probleme mit Fußballhooligans zum Thema. Es haben ein paar Mal Schlägereien vor der Kapu stattgefunden. Es ist sogar mit abgeschlagenen Flaschen aufeinander losgegangen worden. Dabei gab es einen Massenauflauf der Polizei, wo sogar einige von ihnen in die Schlägereien verwickelt worden sind. Die Polizei wollte keiner als Schlichter dort haben. Obwohl es natürlich sinnvoll war, dass sie gekommen sind [...]."
(Kump 2007, S. 215)
Doris Weichselbaumer: "Ganz wichtig waren die Konzerte von No No Yes No, Verbal Assault und das wöchentliche Abwechseln von Stand To Fall und Target Of Demand. Mit anschließenden Polizeieinsätzen und Stadtwerkstatt-Räumungen. Es war ziemlich heftig, wie da ausgeräumt worden ist. Mit Hunden - und im Seiteneingang sind Leute verprügelt worden."
(ebd., S. 190)
Rainer Krispel: "Die Exekutive war immer wieder ein Wahnsinn. Das waren, wenn ich heute so nachdenke, ganz einschneidende Erfahrungen. Denn die zwei Polizeieinsätze bei den Konzerten von No Means No und Alice Donut waren ja konstruiert. Das heißt, die waren so angelegt, dass sie in die Kapu vordringen konnten. Das ist uns auch von Taxlern bestätigt worden, dass die Einsätze Tage vorher über Funk vorbereitet worden sind."
(ebd., S. 191)

    Zu gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und DemonstrantInnen kam es im Zuge der von der KPÖ organisierten Demonstration am 1. Mai 2009. Mehr als 20 DemonstrantInnen wurden verletzt, fünf Festnahmen vorgenommen, Verletzte verzeichnete auch die Polizei. Alois Lißl verteidigte als Sicherheitsdirektor das Vorgehen der Polizei und den Einsatz von Tränengas, da TeilnehmerInnen der Demonstration vermummt waren. Die lückenlose Aufklärung wurde gefordert. (vgl. der Standard vom 2. Mai 2009, o. S.)



Amt der Oö. Landesregierung, Landeshauptmann Pühringer im Oö. Landtag: "Oberösterreich braucht mehr Polizistinnen und Polizisten". Pühringer legt Forderung vor dem Oö. Landtag auf den Tisch, LandesKorrespondenz Medieninfo, Nummer vom 6. 11. 2008, Linz 2008,
abrufbar unter: http://www.land-oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xchg/SID-AD4EA35D-9352B4E1..., Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Bogendorfer, Anatol, "Nichts Neues aus Linz", KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), KUPF-Zeitung, Nr. 113/4/05, Linz 2005,
abrufbar unter http://www.kupf.at/node/638, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

der Standard, Sie wußten, wer ihr Opfer war, 3. September 1990, S. 8

derStandard.at, Grüne fordern Aufklärung, 2. Mai 2009, abrufbar unter http://derstandard.at/?url=/?id=1240550324614, Zugriffsdatum: 26. Mai 2009

Kump, Andreas, Es muss was geben. Die Anfänge der alternativen Musikszene in Linz, publication PN°1 Bibliothek der Provinz, Weitra 2007

Linzer Rundschau, Gewalt in Linzer Altstadt. Die Hooligans schlagen zu!, 22. Februar 1990, S. 5

Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtforschung Linz, Bürgerbefragung 2004. Analyse, Linz 2005, abrufbar unter http://www.linz.at/zahlen/110_Forschungsprojekte/BBef2004.pdf, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz, Erste Maßnahmen und Erkenntnisse, Presseaussendung vom 27.07.2005, Linz 2005,
abrufbar unter: http://www.linz.at/presse/2005/200507_10484.asp, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Neue Kronen Zeitung, Jugendbande prügelte einen Linzer Polizeibeamten tot!, 2. September 1990, S. 12 - 13

Neue Kronen Zeitung, Nach Polizistenmord kochte die Bande Kaiserschmarren, 4. September 1990, S. 8 - 9

Neue Kronen Zeitung, Warum der Linzer Polizist so hilflos sterben mußte, 3. September 1990, S. 8 - 9

Oberösterreichische Nachrichten, Bierdusche für Polizisten bei Konzerteinsatz, 7. Juni 1991, S. 15

Oberösterreichische Nachrichten, Großrazzia in der Linzer Altstadt: 50 Lokale samt Besucher überprüft, 30. Juli 2005, S. 27

Oberösterreichische Nachrichten, In Linz eskaliert die Jugendgewalt. Uns drohen deutsche Zustände, vom 13. August 1992, S. 1

Oberösterreichische Nachrichten, Linz: Totschläger erfassen Tragweite ihrer Tat nicht, 3. September 1990, S. 15

Oberösterreichische Nachrichten, Schläger sollen verschwinden. Linzer Altstadtwirte wollen enge Zusammenarbeit mit der Polizei, 5. September 1990, S. 20

ORF Online und Teletext GmbH & Co KG (Hrsg.), Lokalbesitzer in Linzer Altstadt erstochen, 20. Mai 2007,
abrufbar unter http://ooe.orf.at/stories/194073, Zugriffsdatum: 26. Mai 2009

Personaldirektion des Landespolizeikommandos OÖ, Entwicklung des Personalstandes und der Planstellen der Sicherheitswache Linz zwischen 1999 und 2007 (unveröffentlichtes Dokument), Linz 2009