Ein Attentat auf den Landeshauptmann

Ein Attentat auf den Landeshauptmann

von Lydia Thanner und Andre Zogholy

Am 11. November 2005 passierte der Dienstwagen des oberösterreichischen Landeshauptmanns Josef Pühringer am Linzer Taubenmarkt langsam zwei Punks. Diese trommelten dabei mit ihren Fäusten auf das Fahrzeug und schrieen den Namen des Landeshauptmanns. Die Polizei kam und nahm die Jugendlichen fest. Einer der beiden war schwer alkoholisiert und wurde in ein Krankenhaus gebracht. (vgl. KURIER vom 12. November 2005, S. 12)

    Die mediale Berichterstattung nahm diesen vergleichsweise harmlosen Vorfall als Anlass für Schlagzeilen und rückte das Thema "Punks als öffentlicher Störfaktor" in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit. In der Kolumne "Ob der Enns" schrieb die Neue Kronen Zeitung am 13. November 2005 unter dem Titel "Ohnmächtig zuschauen":

"Randale in Linz - Frankreich lässt grüßen: Noch sind es bei uns wenige, die keine Grenzen kennen. Aber Straßenschlachten - auch wenn sie zum Glück nicht mit jenen rund um Paris vergleichbar sind - die hatten wir schon vor nicht allzu langer Zeit in der Linzer Altstadt. Randalierertum und Pöbeleien stehen an der Tagesordnung. Einmal in der Altstadt, ein andermal beim Lentos. Jetzt werden die Menschen am Taubenmarkt terrorisiert.
Erstmals wurde nun auch ein Politiker angegriffen. Wenn schon die Attacken auf "Normalsterbliche" keine Konsequenzen haben, dann müsste zumindest das als letzter Aufwecker verstanden werden: Nicht ohnmächtig zuschauen, sondern endlich handeln!"
(Neue Kronen Zeitung vom 13. November 2005, S. 12)

    Der Vorfall setzte den medialen Höhepunkt einer Reihe von Ereignissen am Linzer Taubenmarkt, einem der zentralen Geschäfts- und Einkaufspunkte in der Linzer Innenstadt. Bereits eine Woche vor dem "Angriff" auf den Dienstwagen des Landeshauptmanns sorgten Punks im McDonald's-Restaurant für einen Polizeieinsatz, indem sie ihre Hintern entblößten.(vgl. KURIER vom 12. November 2005, S. 12) Auch kam es zu mehreren Verhaftungen, innerhalb weniger Tage wurden drei jugendliche Punks im Alter zwischen 18 und 21 Jahren wegen aggressiven Verhaltens festgenommen. (vgl. Neue Kronen Zeitung vom 13. November 2005, S. 12) UnternehmerInnen berichteten von öffentlich verrichteter Notdurft, Graffiti an den Hausfassaden und befürchteten Umsatzeinbußen. "Die Punks am Taubenmarkt sorgen für Riesenärger und viele Polizeieinsätze. Zudem vertreiben sie den dortigen Geschäftsleuten ihre Kunden" (Neue Kronen Zeitung vom 14. November 2005, S. 12), schrieb die Neue Kronen Zeitung am 14. November 2005.

    Der Handlungsbedarf wurde entdeckt. Die Punks waren großteils jugendlich, lebten ihre Subkultur öffentlich und galten zuvor bereits in der Linzer Altstadt und im Donaupark bei Teilen der Bevölkerung als unerwünscht. Dies auch, da sich im Areal des Donauparks, einem weiträumigen städtischen Freizeit- und Erholungsgebiet an der Donau, mit dem Kunstmuseum Lentos und dem Brucknerhaus zwei bedeutende Linzer Kulturstätten befinden. Die Punks irritierten durch ihre Präsenz, ihr provokantes Aussehen und Verhalten - es kam zum Aufeinandertreffen von Hoch- und Subkultur. Bert Estl schrieb dazu im Jahr 1998 in seinem Expertenbeitrag für den im Jahr 2000 beschlossenen Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz:

"Viele Jugendliche verwehren sich auch bewußt gegen [...] Normen, [...] suchen ihren eigenen Weg oder ihren eigenen Platz. Dabei kommt es natürlich immer wieder zu Problemen - in Linz etwa die Situation auf der Donaulände, die ja bekannterweise gerade in den Sommermonaten gerne von einer Vielzahl an Jugendlichen aufgesucht wird. Daß es dabei nicht immer so zugeht, wie es von manchen gerne gesehen wäre, ist selbstverständlich - die Kids wollen nun mal nicht so sein, wie man es von ihnen erwartet [...]. Die Kids wollen nicht betreut werden, die Kids brauchen Platz und die Kids brauchen Freiraum."
(Estl 1998, o. S.)

    Offene Räume, an denen sich Jugendliche gerne aufhalten, sind nicht selten mit einem unverhältnismäßig hohem Polizeiaufkommen verbunden, wie es folgende Interviewpassage mit der Leiterin der Jugendkulturbox "ann and pat", Anina Gräbner, auf den Punkt bringt:

"Also ich habe in keiner anderen Stadt an einem Flussufer derartig viel Polizeiaufgebot erlebt wie zum Beispiel in Linz auf der Donaulände [...] ich meine, wenn du in Berlin irgendwo sitzt, da kannst du tagelang sitzen ohne dass die Polizei vorbeifährt und die kommt dann halt, wenn was ist, nicht? Vielleicht. Aber, da unten, die fahren ja im [...] im Kreis quasi."
(Interview mit Anina Gräbner 2008)

    Schließlich griff die Stadt ein. Die Punks sollten nicht vertrieben, sondern als gesellschaftlich ausgegrenzte Randgruppe durch ein Beschäftigungsprogramm integriert werden. Die Sozialinitiative JOBIMPULS nahm im Jahr 2005 insgesamt 14 Punks auf und entwickelte mit ihnen Wiedereinstiegspläne. (vgl. Gansinger 2006, o. S. ) Es wurden Arbeitsplätze im Magistrat der Stadt Linz und verschiedenen Sozialeinrichtungen organisiert. Anstellungen im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche boten beispielsweise die Stadtgärten, die Modellwerkstatt der Stadtplanung oder die Haustechnik des Gebäudemanagements.(vgl. Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz 2007, o. S.)

    Zwei Einzelbeispiele aus dem Jahr 2006 sollen den Erfolg der Maßnahme belegen:

"Herr B. befindet sich - nach langer Obdachlosigkeit in der Punkszene - seit November 2005 in der Betreuung und Beschäftigung von JOBIMPULS. Eine intensive Betreuung und ein passgenauer Arbeitsplatz haben dazu beigetragen, dass der junge Erwachsene im März 2006 die Lehrabschlussprüfung geschafft hat. Er hat dadurch sein Leben wieder in den Griff bekommen."
(vgl. ebd.)
"Frau K. war früher obdachlos und war meist betrunken in städtischen Parkanlagen zu finden. Durch JOBIMPULS konnte die junge Frau wieder soweit resozialisiert werden, dass sie aktuell in der Lage ist, ihre Malerlehre - ohne Alkoholkonsum - weiterzuführen. Frau K. hat durch ihre erstaunlich gute Arbeitsleistung Anerkennung geerntet und in der Folge wieder genug Selbstwert und Lebensfreude gefunden."
(vgl. ebd.)

    JOBIMPULS stellt die zentrale städtische Maßnahme dar, SozialhilfeempfängerInnen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gleichermaßen zu stabilisieren und zu deren Weiterentwicklung beizutragen. Jugendliche und junge Erwachsene profitieren nach wie vor als zentrale Zielgruppe, wie die MitarbeiterInnenstatistik von JOBIMPULS aus dem Jahr 2007 zeigt:

JOBIMPULS- MitarbeiterInnenstatistik 2007 nach Alter und Geschlecht in absoluten Zahlen und in Prozent
(Quelle: Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz 2008, o. S.)

    Die größte Gruppe, der JOBIMPULS im Jahr 2007 einen Arbeitsplatz bot, waren Jugendliche zwischen 19 und 25 Jahren. Mehr als jeder vierte Arbeitsplatz wurde einer/m Jugendlichen oder jungen Erwachsenen in dieser Altersgruppe zur Verfügung gestellt (26,3 Prozent, 79 von 300 Arbeitsplätzen).

    Ebenfalls beschäftigt mit dem gesellschaftlichen Thema Punks war die Stadt Graz. Die steiermärkische Landeshauptstadt beschritt einen neuen Weg. Ein Informationsbericht zum so genannten Punks-Paket wurde in den Gemeinderat eingebracht und am 11. November 2004 angenommen. Im Zentrum der Aktivitäten standen die Lebenswelten und -umstände von Grazer Punks. Dazu zählten Streetwork, eine Intensivierung und Erhöhung der sozialarbeiterische Präsenz, aber auch Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsaktivitäten und der Wohnversorgung von Punks.1 Diesen Entscheidungen waren von mitunter kuriosen Gesetzen flankiert. Im Jahr 2005 wurde in der Steiermark ein Landessicherheitsgesetz beschlossen. Seitdem gilt es als Verwaltungsübertretung, andere Menschen "am Gebrauch von Sitzbänken" zu hindern oder Denkmäler "in anstößiger Weise zu benutzen". In Graz wurde mit Kirschlorbeer-Büschen zudem ein Zaun um das Denkmal am Hauptplatz gepflanzt und dieser Treffpunkt der Grazer Punks-Szene in einem weiteren Schritt mit Alkoholverbot belegt. (vgl. Die Presse Digital GmbH & Co KG vom 21. August 2008, o. S.)

    Ob die Verdrängung von Punks mittels Gesetz erfolgt oder, wie im vorab zitierten Beitrag der Neuen Kronen Zeitung vom 13. November 2005, Paris grüßen lässt, mit einem derartigen Ereignis wie dem Attentat auf einen Landeshauptmann durch Punks steht Linz auf weiter Flur.



1 Die vom Institut für Kulturanthropologie und Volkskunde an der Universität Graz erstellte Studie ""Bürgerschreck Punk?" Kulturwissenschaftliche Einblicke in die Lebenswelten einer Grazer Randgruppe" untermauerte die Aktivitäten zudem wissenschaftlich. (vgl. Reiners/Malli/Reckinger 2005)
Die Presse Digital GmbH & Co KG, Grazer Punks: Kein Haus, aber Frieden, 21. August 2008,
abrufbar unter http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/407989/index.do, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Estl, Bert, Jugendkultur in der Krise?, ExpertInnenbeitrag zum Kulturentwicklungsplan Linz, Linz 1998,
abrufbar unter http://www.linz.at/kultur/kep/experten/experten.HTMl, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Gansinger, Ernst, "Ein Arbeitslohn statt der Sozialhilfe. Das Amt für Soziales, Jugend und Familie der Stadt Linz integriert Sozialhilfeempfänger", in: Diözese Linz (Hrsg.), KirchenZeitung, Nr. 2006/02, Linz 2006,
abrufbar unter http://www.dioezese-linz.at/redaktion/index.php?action_new=Lesen&Article..., Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

KURIER, Punks klopften bei Pühringer an, 12. November 2005, S. 12

Interview mit Anina Gräbner, Linz 2008

Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz, Erfolgreiche Beschäftigungsinitiative JOBIMPULS, Presseaussendung vom 17.01.2007, Linz 2007,
abrufbar unter http://www.linz.at/presse/2007/200701_11853.asp, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Stadtkommunikation Linz, Jobimpuls - das soziale Beschäftigungsprogramm, Presseaussendung vom 21.01.2008, Linz 2008,
abrufbar unter http://www.linz.at/presse/2008/200801_36575.asp, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Neue Kronen Zeitung, Ohnmächtig zuschauen, 13. November 2005, S. 12

Neue Kronen Zeitung, Polizei kann Punk-Exzesse nicht stoppen, 14. November 2005, S. 12 - 13

Neue Kronen Zeitung, Punks verjagen Kunden aus der Innenstadt!, 13. November 2005, S. 12 - 13

Reiners, Diana, Malli, Gerlinde, Reckinger, Gilles, "Bürgerschreck Punk?" Kulturwissenschaftliche Einblicke in die Lebenswelten einer Grazer Randgruppe, Forschungsbericht im Auftrag des Magistrats Graz, Graz 2005,
abrufbar unter http://www.graz.at/cms/dokumente/10068239_680973/20d225e1/Punkstudie.pdf, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Stadt Graz - Magistratsdirektion, Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, Bügerschreck Punks, Graz 2005,
abrufbar unter http://www.graz.at/cms/beitrag/10068239/680973/?punks, Zugriffsdatum: 16. Mai 2009

Stadt Graz - Sozialamt, Informationsbericht an den Gemeinderat. Betreuung der Punks im öffentlichen Raum; Steigerung des Sicherheitsgefühls der Grazer BürgerInnen, GZ.: A 5 - 54999/04-1, Graz, 15.6.2004, Graz 2004,
abrufbar unter http://www.graz.at/cms/dokumente/10036724_410977/7a02d015/A%205_5499_04_..., Zugriffsdatum: 16. Mai 2009